Umzug ins Pflegeheim: Uwe lebt jetzt im Tobias-Haus in Ahrensburg

Umzug ins Pflegeheim: Uwe lebt jetzt im Tobias-Haus in Ahrensburg

Umzug ins Pflegeheim

„IN DIESER UMGEBUNG FÜHLE ICH MICH AUFGEHOBEN“

Der Umzug in ein Ahrensburger Pflegeheim war für Uwe (85) ein Neuanfang

Ahrensburg – Es ist einer der ersten richtig warmen Frühlingstage, als ich Uwe in seinem Zimmer im Alten- und Pflegeheim Tobias-Haus zum Interview treffe. Wir suchen uns ein schattiges Plätzchen auf dem Balkon, von dem aus man einen tollen Blick ins Grüne hat. Uwe beginnt zu erzählen.

2015 wurde bei ihm Parkinson diagnostiziert. Etwa zwei Jahre zuvor hatte er erfahren, dass seine Frau an Demenz erkrankt ist. Die Veränderungen begannen zunächst schleichend. „Sie war mit ihren Freundinnen unterwegs und behauptete auf einmal, ihr Auto sei weiß – während alle anderen sicher waren, dass sie einen schwarzen Wagen fährt“, sagt Uwe. Solche Erlebnisse kamen immer häufiger vor und lösten Frustration und Trauer aus.

BEWUSSTE ENTSCHEIDUNG FÜR UMZUG INS PFLEGEHEIM

Seit etwas mehr als zwei Monaten lebt Uwe jetzt zusammen mit seiner Frau in dem Pflegeheim in Ahrensburg (Schleswig-Holstein), das rund 80 Kilometer von seinem früheren Zuhause in Stade (Niedersachsen) entfernt liegt. Für den Umzug zu einem Zeitpunkt, an dem seine Erkrankung noch in einem Stadium ist, das ihm ein relativ selbstständiges Leben erlaubt, hat er sich bewusst entschieden.

„Für meine Frau und mich war das die Chance auf einen Neuanfang“, sagt der pensionierte Handelsschullehrer. Er schätzt zudem die geistige Herausforderung seines neuen Lebensabschnitts im Pflegeheim. „Lernen ist meine Leidenschaft. Nun ist es meine Aufgabe, in einer schwierigen gesundheitlichen Situation zurechtzukommen.“ Das Zusammenleben mit den anderen Bewohnern helfe ihm dabei, sich auf seine eigene Gebrechlichkeit vorzubereiten.

BIOGRAFISCHE ERINNERUNGEN

Aufgewachsen ist Uwe in Oldesloe als eins von elf Kindern eines Landhandelskaufmanns. In den Wirrungen des Zweiten Weltkriegs durchlebte der Vater mit seinem Geschäft wirtschaftliche Höhen und Tiefen. Doch Uwes Mutter, fest davon überzeugt, dass Gott ihr beistehe, schaffte es mit Zuversicht und Erfindungsreichtum immer irgendwie, die Kinder durchzubringen und die Familie zusammen zu halten.

Uwe träumte von einem kreativen Beruf, wäre gern Schneider oder Innenarchitekt geworden. Doch das hätte sein Vater niemals akzeptiert. Schließlich machte er eine kaufmännische Ausbildung in einem Textilindustriebetrieb, absolvierte ein Studium zum Diplom-Handelsschullehrer und unterrichtete Auszubildende der Textilbranche. Ein Kompromiss, durch den er seine Leidenschaft für Stoffe auch im Beruf weiter ausleben konnte.

UMZUG INS PFLEGEHEIM BRINGT ENTLASTUNG

Es klopft an der Tür. Ein Alltagsbegleiter möchte Uwes Frau abholen, um gemeinsam mit anderen Bewohnern in den Garten zu gehen. Uwe bittet ihn, sie selbst zu fragen und deutet auf eine Tür, die von seinem Zimmer abgeht. Wenig später erscheint Uwes Frau, grüßt kurz, dann machen sich die beiden auf den Weg nach draußen.

Für Uwe ist es eine große Entlastung, dass er sich jetzt nicht mehr allein um seine Frau kümmern muss. Wenn sie ihn wieder mal fragt, wo das Badezimmer ist oder wann sie nach Hause fahren, versucht er, liebevoll und geduldig zu reagieren. Das gelingt ihm oft, aber nicht immer. Manchmal platzt ihm auch der Kragen und er sagt: „Meine Güte nochmal, das habe ich dir doch schon 100.000-mal erklärt!“ Das permanente „Tandem-Denken“, wie er es nennt, zehrt an seinen Nerven.

Umzug ins Pflegeheim: Uwe wohnt jetzt im Tobias-Haus in Ahrensburg

Zeit für sich selbst: Uwe macht einen Waldspaziergang

Gern würde er mal wieder nach Hamburg fahren und ins Theater gehen. Doch obwohl die Pflegekräfte ihm versichert haben, dass sie sich während seiner Abwesenheit um seine Frau kümmern, traut er sich das noch nicht so recht. Die Angst, dass ihr etwas passieren könnte, ist zu groß. Immerhin ist er gestern im nahe gelegenen Wald spazieren gegangen. Für den Fall, das seine Frau vergessen würde, wo er war, hat er ihr sicherheitshalber einen Zettel hingelegt. Der Ausflug tat ihm gut. „Ich bin eingetaucht ins Grün. Dieses Eins-Werden mit der Natur, die Schöpfung wahrnehmend – das ist mir ein spirituelles Anliegen“, sagt Uwe. In einem Pflegeheim mit dieser Umgebung zu leben, gebe ihm das Gefühl, aufgehoben zu sein.

LIEBEVOLLER UND FÜRSORGLICHER EHEMANN

Uwe ist ein religiöser Mensch. Viele Jahre hat er sich in der evangelischen Kirche engagiert. Christliche Tugenden wie die Bereitschaft zu verzeihen und sich zu entschuldigen sind seit jeher Bestandteil seines Lebens. Zugang zur Spiritualität findet er vor allem über den Geist, er beschäftigt sich mit Philosophie und Kunst. Nach seiner Pensionierung hat er unter anderem als Kontaktstudent Vorlesungen an der Universität Hamburg besucht, ehrenamtlich in dem Verein ViLE (Virtuelles und reales Lern- und Kompetenz-Netzwerk älterer Erwachsener) gearbeitet und bei dem Senioren-Theaterstück „Die Kümmerer“ am Hamburger Schauspielhaus mitgewirkt.

Inspiriert von der anthroposophischen Ausrichtung des Tobias-Hauses, möchte sich der 85-Jährige künftig dem Studium der Lehre Rudolf Steiners widmen, mit der er sich bereits im Vorfeld beschäftigt hat.

Schon vor ihrer Demenzerkrankung teilte seine Frau derartige Interessen nicht. „Wir haben uns in unserer Partnerschaft intellektuell immer weiter auseinander gelebt“, sagt Uwe. Für sie da zu sein, steht für ihn aber außer Frage: „Das ist mir ein Herzenswunsch.“ Seit ihrem Umzug ins Pflegeheim habe er überdies einen neuen körperlichen Zugang zu seiner Frau gefunden. „Ich schließe sie abends in die Arme und spüre eine intensive Verbundenheit“, sagt er.

DAS PFLEGEHEIM IST JETZT UNSER ZUHAUSE“

Ich sehe mich um. Uwe und seine Frau teilen sich zwei Zimmer, ein kleines und ein größeres mit Balkon und Badezimmer. Insgesamt haben sie etwas mehr als 50 Quadratmeter – also in etwa so viel Platz wie ich in meiner Wohnung, in der man gut zu zweit leben kann. Für das Ehepaar ist es jedoch eine große Umstellung. „Früher hatte jeder seinen eigenen Rückzugsbereich, jetzt vermischt sich das mehr“, sagt Uwe. Es ist ihm wichtig, mit seiner Frau nicht von „meinem“ und „deinem“ Zimmer zu sprechen, sondern von „unserer Wohnung“.

Einige ihrer Möbel haben sie mitgebracht. Vieles mussten sie jedoch zurücklassen, da es einfach nicht gepasst hätte. Bilderrahmen mit Fotos sowie von Uwe selbst hergestellte Keramik-Kerzenständer verleihen dem Wohnraum eine persönlich Note. Noch seien sie aber nicht fertig mit dem Einrichten, betont Uwe und zeigt mir eine Reihe Bilder, die noch an die Wand gehängt werden sollen.

IM ALTER NOCHMAL NEUE FREUNDE FINDEN

Nicht nur die Bilder, auch Uwe und seine Frau müssen ihren Platz im Tobias-Haus noch finden. Nach gerade mal zwei Monaten sind sie nach wie vor in der Eingewöhnungsphase. Viele organisatorische Dinge wie zum Beispiel Arztbesuche standen in der Anfangszeit an. Nun beschäftigt sie vor allem die Gestaltung des Miteinanders; Kontakte knüpfen und Freunde finden.

Umzug ins Pflegeheim – Uwe sitzt auf einer Bank

Eins werden mit der Natur: Für Uwe ein spirituelles Erlebnis

Letztere spielten in Uwes Leben immer eine große Rolle. Zwei sehr enge Vertraute musste er in Stade zurücklassen. „Wir haben natürlich noch Kontakt zueinander, aber es ist nicht dasselbe, wie wenn man quasi Tür an Tür wohnt und ständig greifbar ist.“

UMZUG INS PFLEGEHEIM OHNE REUE

Den Schritt, ins Pflegeheim umzuziehen, bereut er dennoch nicht. So ist die Entfernung zu seinen beiden in Hamburg lebenden Söhnen, zu denen er ein inniges Verhältnis hat, jetzt viel geringer. Und falls sich der Zustand seiner Frau weiter verschlechtert, besteht für sie die Möglichkeit, innerhalb des Hauses in einen geschützten Demenzbereich umzuziehen.

Das Leben war für Uwe stets eine Abfolge von Abschnitten, die er aufmerksam und neugierig wahrnahm, ohne allzu wehmütig zurück zu blicken. Auch wenn ihm durchaus bewusst ist, dass er und seine Frau an diesem Ort vermutlich den letzten Lebensabschnitt verbringen werden, hat sich an dieser Einstellung nichts geändert.

Dieser Beitrag wurde am 21. Mai 2017 veröffentlicht

Mehr Informationen über das Tobias-Haus in Ahrensburg gibt es hier

Anmerkung der Autorin

Mit dem Alten- und Pflegeheim Tobias-Haus in Ahrensburg fühle ich mich besonders verbunden. Während meines pflegewissenschaftlichen Masterstudiums habe ich dort als Betreuerin gearbeitet, um den Alltag in einer Pflegeeinrichtung kennenzulernen. Seit Mai 2017 unterstütze ich das Haus bei der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Die Idee, Bewohner in meinem Blog zu porträtieren, hatte ich schon vorher und unabhängig von dieser Tätigkeit. Ich mache das, weil ich die Geschichten der Bewohner spannend und erzählenswert finde und werde dafür nicht bezahlt. Der Artikel über Uwe spiegelt lediglich meine beziehungsweise seine persönliche Sicht wider.

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4 Kommentare

  1. Ramazan sagt:

    Ein Wohnortswechsel bzw. ein Umzug ins Alten- oder Pflegeheim stellt für die meisten Menschen eine überaus große Belastung dar. Kein Wunder, denn schließlich muss man die gewöhnte Umgebung hinter sich lassen. Familiäre Unterstützung ist daher unerlässlich. Das gilt besonders vor dem Umzug ins Heim. Nicht alles kann aus Platzgründen mitgenommen werden, weswegen man sich von dem ein oder anderen liebgewonnenen Gegenstand trennen muss. Auch bei der Eingewöhnung ist die Unterstützung von Freunden und Verwandten ein absolutes Muss.

  2. Iva sagt:

    Jeder Umzug ist mit Stress verbunden und erfordert eine durchdachte Planung. Umzug ins Pflegeheim ist wirklich ein großer Schritt, eine große Veränderung, und die Unterstützung von Freunden und Familie ist unglaublich wichtig. Vielen Dank für den schönen Text.

  3. Umzüge sagt:

    Umzug ins Pflegeheim ist ein großer, schwieriger Schritt. Danke für den schönen Atikel.

  4. Umzug sagt:

    Ins Pflegeheim umziehen kann echt schwer sein. Danke für diesen Atikel.

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